Vor Spannung fast platzend starrte er aus dem Fenster. Nur noch wenige tausend Kilometer trennten Dimitri "Dart" Piper von den Stufen seines Hauses auf Thor.
Wie lange ist er jetzt weg gewesen?
Zwei Jahre? Drei sogar?
Es spielte keine Rolle, zu lange schon hatte er keinen Fuß mehr auf seinen Heimatplaneten gesetzt.
Thor.
In der südlichen, der Sonne abgewandten Hemisphäre, auf dem Kontinent Quirm, dessen Umrisse er jetzt schwach erkennen konnte, herrschte gerade Winter.
Seine Frau war wahrscheinlich gerade dabei, die Treppen ihres Hauses von der Last des weißen Tuches zu befreien, welches sich über die Stadt Pseudopolis gelegt hat.
Seine Frau...
Mein Gott, wie mag sie wohl aussehen?
Irina, seine geliebte Irina.
Wie oft schon, hatte er sich gewünscht, doch nur einmal wieder in ihre Haselnußbraunen Augen zu schauen, wenn ihm der Anblick eines gefallenen Kameraden den Magen umdrehte?
Wie oft hatte er sich gewünscht, den Hauch ihres Atems auf seiner Haut zu spüren, als ihm der todbringende Schweif einer vorbeifliegenden Kugel so nah war, daß die Hitze ihm fast das Gesicht versengte?

Wird sie mich wiedererkennen? Dieser Gedanke geisterte ihm seit geraumer Zeit durch den Kopf.
Sie hat es wohl nie ganz verstanden, daß er damals keine andere Wahl hatte, als zu den Sturmtruppen zu gehen. Jeder Mann wurde gebraucht, ob er wollte oder nicht. Doch in diesem Jahre andauernden Krieg ist etwas mit ihm geschehen...eine Verwandlung, die er nie für möglich gehalten hatte. Wie sollte er es ihr beibringen, daß er sich entschieden hat, weiterhin bei den Sturmtruppen zu dienen?
Daß er hier Freunde gefunden hatte, die er auf Thor nie finden würde.

Eine Stimme, die es gewohnt war, sehr sehr laut zu sprechen, riß ihn aus seinen Gedanken:
"Dart! Fertigmachen! Wir landen in weniger als einer Stunde."

"Jawohl!", war die knappe Antwort. Dimitri hielt es kaum noch aus.
Wie würde sie reagieren wenn sie ihn wiedersieht?
Wie reagiert sie, wenn er ihr sagt, daß er bald wieder gehen müsse?
Mag sein, daß er die Entscheidung viel zu schnell getroffen hatte, aber dennoch...auch jetzt wünscht er sich nichts sehnlicher, als sie in seinen Armen zu halten, und nie wieder loszulassen.
Loslassen.
Oft hatte er loslassen müssen in den letzten zwei Jahren. Schmerzen wird es immer wieder aufs Neue.

Da! Pseudopolis Yard, die Landebahn war bereits zu sehen.
Nun hieß es noch einmal konzentrieren. Hoffentlich ließen sich all seine Gedanken für die Dauer des Landemanövers in einzelne, dafür vorgesehene Schubladen in seinem Kopf stecken!
Er legte seinen Mundschutz ein und sah sich um.
Links und rechts von ihm saßen zwei weitere Soldaten, jedoch kannte er sie nicht.
Gegenüber von ihm und zwei Sitze weiter rechts saß Steve "Shark" McHiggins, mit dem er einige harte Einsätze hinter sich hat.
Der Platz daneben ist frei.
Dimitri könnte sich vorstellen, daß dort Freddy "Fish" Borger gesessen hätte; wäre er nicht bei einem unnötigen Risikoeinsatz auf Agnus Delta ums Leben gekommen. Die Rakete eines angreifenden Mosquito hatte ihn direkt vor seinen Augen in Fetzen gerissen.
Er verdrängte den Gedanken gleich wieder.
Fish war einer der Jungs, wegen denen er sich in der Armee so wohl fühlte.
Seines Wissens nach hatte er keine Familie, also niemanden hier, der um ihn trauern wird.
Waren es die Buddhisten auf der Erde, die glaubten, daß nichts wirklich tot ist, solange noch Wellenimpulse der Taten Des- oder Derjenigen durch die Welt rollen?
So langsam versteht er, was damit wohl gemeint ist.
Niemand der stirbt wird vergessen, solange man sich noch seiner Taten erinnert, und ihre Veränderungen in der Welt noch bemerkbar sind. Darauf läuft es hinaus. Oder waren es doch die Japaner?

Ein Beben ging durch den riesigen Truppenkreuzer, als er endlich auf der Landebahn aufsetzte.
Die Ausschleusung verlief schnell, sauber und unkompliziert.
Dimitri verabschiedete sich von ein paar seiner Kameraden und machte sich -die schwere Tasche mit seinen Militärklamotten über der Schulter- auf die Suche nach einem Taxi.
Als er endlich ein geeignetes Gefährt gefunden hatte, stellte er sich immer und immer wieder diese eine Frage: Wie wird sie reagieren?
Wird sie ihn überhaupt sehen wollen?
Das erste Jahr, nachdem er weg war, schien nicht so hart gewesen zu sein.
Er durfte immerhin Briefe schicken und auch empfangen.
Die letzten Monate diente er aber in einem Spezialtrupp, in welchem jeglicher Kontakt nach außen verboten war.
Er hatte trotzdem Briefe geschrieben, diese jedoch nicht abgeschickt.
Sie lagen alle gut verstaut in einem kleinen Karton in seiner Tasche.
Er würde ihr die Briefe geben, egal was passiert, egal wie sie reagiert, und -hier mußte er schlucken- egal ob sie allein war oder nicht!
Doch diesen Gedanken verdrängte er schnell wieder. Er gab ihm so ein seltsames Gefühl im Bauch, ähnlich jenem Gefühl, welches er hatte, als er sie vor zwei Jahren hier zurückließ.
Er konnte sie jetzt noch sehen, wie sie auf der Besucherrampe der Startbahn stand, und ihm unter Tränen hinterherwinkte.
Diese Augen...ihr schulterlanges Haar, es fing wieder an zu kribbeln. Sie mußte sich einfach freuen.
Aber was wenn nicht?
Es gab nur einen Weg, dies herauszufinden.

"Sie können mich hier rauslassen, den Rest laufe ich."

"Wie sie meinen. Das macht 23 Credits."

Dimitri gab dem Fahrer sein Geld und holte die Tasche aus dem Kofferraum.
Als das Taxi um die Ecke bog, atmete Dimitri Piper noch einmal tief durch, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging auf die nächste Kreuzung zu.
Die feinen Atemwölkchen vor seinem Gesicht tauchten in immer kürzeren Abständen auf, als er merkte, wie sein Puls raste.
Da, auf der anderen Straßenseite!
Dies war sein Haus.
Es sah so aus wie früher. Immer noch die gleichen Vorhänge in der Küche, die gleiche Fußmatte vor der Haustür.
Auf dem Dach fehlten immer noch 2 Ziegel. Schon damals hatte er versprochen, so schnell es geht, das Dach auszubessern. Jetzt hatte er ja erst mal Zeit für sowas.
Sechs Monate, um genau zu sein. Dann würde er wieder zum Dienst gerufen werden. Doch bis dahin...
Jetzt hatte er Zeit. Und er würde sie...verbringen!
Dimitri tat einen Schritt auf die Straße zu, als er sie sah.
Ihr Gesicht erschien hinter dem Küchenfenster und starrte ungläubig hinaus.
Dann schlug sie die Hand vor ihren Mund.
Das Gesicht verschwand, die Haustür ging auf, und Irina trat auf die Stufen ihres Hauses.
Dimitri setzte seinen Weg über die Straße fort, auf sie zu.
Ihre Beine wurden wacklig. Sie setzte sich vors Haus auf die Treppe.
Dann war Dimitri bei ihr.

"Hallo Irina", war alles, was er herausbrachte, mit einem überglücklichen Grinsen auf seinem Gesicht.

"Dimitri...", Irina war fassungslos.
"Du bist es. Ich dachte, ich würde Dich nie wieder sehen, doch Du bist es! Dimitri!!"
Nun schrie sie fast.
Als er sie an den Händen zog und ihr beim aufstehen half, sprang sie plötzlich, wie neu belebt, auf ihn zu und umschlang seinen Hals mit ihren Armen.
Vor Überraschung, und wegen des Gewichts der Tasche, fiel Dimitri fast rücklings die Treppe hinunter.
Er konnte sich gerade noch fassen und streifte die Tasche über seine rechte Schulter ab.
Er sah sie an.
Sie hatte sich wenig verändert.
Ihr Haar war etwas kürzer.
Und auch dunkler. Es schien so, als hätte sie eine kastanienfarbene Tönung benutzt.
Ihr liebliches Gesicht wurde umrahmt von diesem Haar, welches er so liebte.
Es passte zu ihren Augen. Mein Gott, wie wunderschön sie ist, dachte er.
Die Zukunft, so wie die Vergangenheit waren vergessen, was jetzt zählte war der Augenblick.
Er führte seine linke Hand durch ihr Haar, versuchte ihr Ohr freizulegen.
Dann flüsterte er: "Irina...", und begann sie zu küssen.
Sie küssten sich, draußen vor ihrem Haus in der Falls Ally, in Pseudopolis.
Und es war Winter.
Tiefster Winter...


Der Schnee begann, in der immer stärker werdenden Frühlingssonne dahinzuschmelzen. Der Matsch wich Pfützen.
Die Pfützen trockneten und legten die Wiese frei, die hinter ihrem Haus nun endlich aus dem Joch der Kälte befreit wurde und wieder begann, zu blühen.

In all den Wochen hatte Dimitri es nicht übers Herz gebracht, Irina von seiner Entscheidung zu erzählen, bei den Sturmtruppen zu bleiben.
Er konnte es einfach nicht.
Immer noch überwältigt von der Freude des Wiedersehens, versuchte er, so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen, es so aussehen zu lassen, als wäre er nie wirklich weg gewesen.

Doch er wußte, der Augenblick des Abschieds kam unaufhaltsam auf sie beide zu.
Er mußte es ihr sagen.
Eines Abends, sie saßen auf der Veranda ihres Hauses, wagte er den ersten, vorsichtigen Schritt:

"Du, Liebling, es gibt da etwas, was ich Dir gestehen muß."

"Ich weiß, Dimitri. Ich sehe es jeden Tag seit Deiner Ankunft in Deinen Augen. Doch auch ich muß mich meiner Last entledigen."

Damit hatte er nicht gerechnet. Sorge keimte in ihm auf.

"Was meinst Du?"

"Es ist schwer für mich, aber ich kann es nicht länger für mich behalten. Erinnerst Du Dich noch an Martin? Du hast mit ihm zusammen gearbeitet, damals, bei Prio-Tech. Er und seine Frau waren ein oder zwei mal zum essen hier."

"Ja, natürlich erinnere ich mich an Martin. Was ist mit ihm?"

Er mußte schlucken.
Ein schweres Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit, er wußte was jetzt kommt.

"Also, als Du weg warst...ich meine, ich war sehr einsam. Und traurig. Martin hat mir ein wenig im Haus und mit dem Papierkram geholfen...
Ich schäme mich ja so."

Tränen rannen ihre Wange hinunter.

"Wir haben uns geküßt, Dimitri. Nur geküßt.
Aber was mir wirklich Angst einjagte war, daß ich daran dachte, mehr für ihn zu empfinden als ich es wahrscheinlich letztendlich tat. Weißt Du, seine Frau ist verstorben, kurz nachdem Du weg warst.
Ein Autounfall."

Dimitri konnte nicht fassen, was er da hörte.
War es die Sache zwischen Irina und Martin, oder eher der Tod von Alicia, Martin's Frau.
Seine Gedanken kreisten.
Irina, Martin.
Tod.
Alicia, er sah sie vor sich.

"Irina, geliebte Irina, wie kann ich Dir vorhalten, daß Du Dich in die Arme eines anderen Mannes flüchten wolltest? Das ist verständlich.
Doch ich vertraue Dir.
Ich weiß, daß nichts weiter Schlimmes passiert ist.
Nun weine nicht, Irina. Du hast mir damit nur ein weiteres Mal bewiesen, daß Du mich liebst.
Ich schätze mich froh, eine so wundervolle Frau zu haben. Komm her."

Er stand auf und ging zu ihr.
Sie sah ihn unter Tränen an und umarmte ihn.

"Dimitri, es tut mir so leid."

"Du bist stark, mein Schatz. So stark. Andere wären der Versuchung erlegen gewesen, doch nicht Du.
Ich liebe Dich!"

"Ich liebe Dich auch!"

Sie umarmten und küssten sich, die Sonne ging langsam unter.

"Doch was wolltest Du mir sagen, Dimitri?"

Jetzt war es also soweit. Kein zurück.

"Ich...habe mich entschieden, bei den Sturmtruppen zu bleiben..."

Sie sah ihn durchdringend mit ihren hübschen Augen an.
"Dimitri! Was..."

"Verstehe mich bitte. Ich habe das Gefühl, etwas zu bewirken. Ich gehöre dorthin, ich kann es nicht beschreiben. Nichts wünschte ich mir mehr, als daß Du mit mir kommen könntest, glaub mir. Es wäre auch nicht für immer. Ein paar weiter Jahre, mehr nicht."

"Aber...was ist mit uns? Ich weiß nicht, ob ich das noch einmal durchmachen kann. Ich sehe Dich nicht, ich höre nichts von Dir, wie glaubst Du, soll es so weitergehen?"

"Irina, ich bin bei Dir, ich bin immer bei Dir. Denk an früher. Denk daran, was ich Dir sagte, als wir noch Kinder waren, unten am Fluß. Ich werde immer für Dich da sein, und sollte ich Dich einmal verlassen müssen, so sei Dir gewiß, daß ich immer zu Dir zurückkehren werde."

"Aber das hast Du nur gesagt, weil Deine Eltern aus Pseudopolis wegziehen wollten! Wir waren Kinder, Dimitri", ihre Stimme wurde ruhiger, leiser:
"Jetzt ist alles anders...alles verändert sich."

"Was meinst Du?"

"Ich war letzte Woche beim Arzt."

Sorgenfalten machten sich auf Dimitris Stirn breit.

"Schatz, Dir fehlt doch nichts?"

"Ich bin schwanger, Liebling! Wir bekommen einen Sohn."

"Einen...ist das wahr? Oh mein Gott, ich hatte ja keine Ahnung. Das ist ja wunderbar!
Doch höre mir zu: Nicht mehr lang, und ich werde wieder zum Dienst gerufen. Ich weiß nicht, wie ich aus dem Vertrag wieder rauskomme. Ich kann also für nichts garantieren. Aber ich verspreche Dir, ich werde so oft es möglich ist, Landurlaub beantragen."

"Ich schätze, damit muß ich mich dann wohl zufriedengeben, oder?"

"Alles wird gut, Baby. Ich verspreche es Dir! Alles wird gut, wir schaffen das schon."

Die Stunden wurden zu Tagen, die Tage wuchsen zu Wochen. Irina und Dimitri verbrachten sehr viel Zeit damit, schon mal das Kinderzimmer einzurichten.
Von der Tatsache unberührt, daß Dimitri bald wieder weg sein würde, hatten sie eine so schöne Zeit wie schon lange nicht mehr.
Sie liebten sich, lang und innig, an manchen Tagen auch mehrmals.

Manchmal saß Dimitri einfach nur an ihrem Bett und beobachtete, wie sie schlief. So wie auch diesen Morgen.
Was machte er sich eigentlich die ganze Zeit vor? Seine Gedanken waren ständig bei ihr, nirgends sonst.
Wenn er nur an die Anfänge seiner Dienstzeit zurückdachte.
Er hatte ernsthaft geglaubt, wenn er versuchen würde, Irina zu vergessen, würde es ihm bei den Sturmtruppen leichter fallen. Doch er konnte sich einfach nie merken, sie zu vergessen. Jung und dumm, dachte er sich. Dabei ist sie doch Alles, wofür es im Leben überhaupt zu kämpfen lohnt.
Wenn nicht für die Frau, die er liebt, für wen oder was sonst auf der Welt?
Freiheit?
Pah!
Die Kriege waren so weit weg. Monatlich wurden neue Planeten angegriffen und invasiert, damit Flüchtlingskolonisten ein neues zu Hause bekamen.
Was mit den Eingeborenen passiert, hinterfragt niemand.
Nein!
Frei konnte er nur an einem Ort sein.
Hier.
Bei ihr. An keinem anderen Platz der Welt fühlte er sich sicherer als in ihren Armen.
Er streichte ihr mit einer Hand das Haar aus dem Gesicht und lächelte.
Sie murmelte etwas im Schlaf und drehte sich ein wenig.

Er erhob sich und ging in die Küche, um das Frühstück vorzubereiten. Heute war es also soweit.
Der Tag des Abschieds...mal wieder.
Nach dem Frühstück suchte er all seine Sachen zusammen und verstaute die Tasche in seinem Wagen.
Sie fuhren die Falls Ally entlang, und keiner von Beiden blickte zurück.

Am Pseudopolis Yard angekommen, sah er auch schon einige seiner Kameraden, wie sie sich unterhielten.
Er schnappte Worte wie "Bergsteigen", und "Weltreise" auf.
Er sah Irina an.
Warum um die Welt reisen, dachte er.
Ich hatte alles was ich wollte zu Hause.
Er mußte wohl unwillkürlich gelächelt haben, denn plötzlich lächelte auch Irina ihn an:

"Was ist los? Worüber freust Du Dich so?"

"Nichts, komm mein Schatz, steigen wir aus und gehen zu den anderen."

Tosender Lärm erfüllte den Himmel, als mehrere Truppentransporter starteten.
Irgendwann war es dann so weit.
Loslassen!
Mit jedem Mal schien es ihm ein wenig schwerer zu fallen.

"Irina...bevor ich wieder weg bin...ich habe dies all die Monate aufbewahrt, damit Du noch etwas von mir hast, wenn ich wieder weg bin."

Er holte den kleinen Karton mit den Briefen hervor, die er während seiner Einsätze an sie geschrieben hatte, jedoch nicht verschicken durfte.

"Oh Dimitri, Du hast mir geschrieben? Ich dachte..."

Er legte ihr sanft den Zeigefinger auf die Lippen.

"Pssssst, lies sie wenn Du zu Hause bist."

"Ich werde sie immer lesen, wenn es anfängt zu schmerzen, daß Du weg bist."

"Ich muß jetzt gehen, Schatz. Siehst Du?"

Er deutete mit der rechten Hand zum Rollfeld, wo sein Transporter bereits startbereit wartete.

"Nun verlässt Du mich schon wieder.
Liebster, ich werde auf Dich warten."

"Und ich werde zurückkommen, so bald wie möglich.
Pass in der Zeit schön auf unseren Sohnemann auf, hörst Du?"

Er streichelte ihr noch über den Bauch, bevor er seine Tasche nahm, ging, und in der Menge der Uniformen für sie nicht mehr auszumachen war.


Als der Transporter startete, stand Irina an der Rampe für Besucher und winkte mit einem Taschentuch hinterher, wie sie es einst schon mal getan hatte.

Dimitri blickte aus dem Fenster und sah, wie die Stadt immer kleiner wurde.

"Bis bald, Thor", flüsterte er leise vor sich her.
"Wir werden uns wiedersehen."



Ein paar Monate später holte Irina die Post ins Haus, als ihr die Handschrift ihres Mannes auf einem der Briefe auffiel.
Sie öffnete ihn auf der Stelle und las ihn noch auf den Stufen des Hauses.

Geliebte Irina

Du wirst es nicht glauben, aber ich habe es geschafft!
Ich habe getan, was ich schon viel früher hätte tun sollen, und ich entschuldige mich dafür bei Dir.
Mein Antrag auf Entlassung bei den Sturmtruppen ist durch! Ich muß noch einen letzten Einsatz mitmachen, dann darf ich nach Hause.
Du ahnst gar nicht wie sehr ich mich freue.
Wer weiß, vielleicht schaffe ich es sogar rechtzeitig zur Geburt von Dario. Ich wünsche es mir so.
Irina!
Pack das gute Geschirr aus, zünde Kerzen an, lass es jeden in der Nachbarschaft wissen.
Ich komme nach Hause zu meinen Lieben!

In freudiger Erwartung

Dein Dich liebender
Dimitri


Irina hatte während des Lesens die ganze Zeit den Mund offen und strahlte übers ganze Gesicht.
Sie konnte es kaum glauben.
Sofort ging sie ins Haus um ihre beste Freundin Jessica anzurufen.
Dabei blickte sie aus dem Fenster gen Himmel, wahrscheinlich in der Hoffnung, ein Schiff könnte herunterfallen und ihr Dimitri zurückbringen.

Focus

Stellen Sie sich einen blauen Himmel über Thor vor, eine Sonne, deren Strahlen Irina ins Gesicht scheinen. Doch es ziehen Wolken auf und der Himmel verdunkelt sich.
Stellen Sie sich Lichtblitze vor, die sich über der Wolkendecke entzünden wie ein Gewitter. Und tatsächlich durchbricht plötzlich ein Schiff diese Dunkle Masse aus Wasserdampf, doch es ist ein Truppeninvasionskreuzer der Magellan-Klasse, und der Planet heißt auch nicht Thor, sondern hört auf den recht eigentümlichen Namen Taunus Mons.


Die Luke des Kampfschiffes sprang auf und heraus stürmten 250 Sturmtruppen.
Diese Prozedur wiederholte sich in vielen Gegenden dieses Planeten.
Doch die Truppen stießen auf harten Widerstand.
Ein heißes Feuergefecht folgte dem Nächsten.
Auf beiden Seiten fielen Soldaten zu Boden, von tödlichen Treffern niedergeworfen.

Focus

Ein Soldat rückt in naher Sichtweise des Lesers.
Auf der Brust, in den Kampfpanzer des Sturmtrupplers war dessen Name eingraviert:

"Piper"


Wenig Leben regte sich in ihm, als er die Augen wieder öffnete.
Was war das?
Bei Gott, ich habe nicht mal gesehen, was oder wer mich da getroffen hatte.
Das ist es also, dachte er.
Die Leute sagen, das ganze Leben ziehe an einem vorbei, wenn man dem Tod ins Auge blickt.
Sie hatten Recht!
Diesen Vorgang nennt man "Leben", und dauerte bei Dimitri "Dart" Piper genau 32 Jahre, 4 Monate und 12 Tage.
Soll es das gewesen sein? Soll dies sein Grab werden?
Ein Planet, dessen Name er vor zwei Tagen nicht einmal kannte?
So kurz vor dem Ausscheiden aus dem Militär?
Kurz vor...der Heimkehr?
Zu Hause.
Seine Gedanken wurden immer langsamer, als versuche er, sich an etwas zu erinnern. Der Schmerz nahm zu. Er vernahm den metallischen Geschmack von Blut auf seiner Zunge. Er sah an sich hinunter. Ein Bein ist ihm bis zum Knie abgetrennt worden und ein großes Loch prangte in seinem Bauch.
Zu Hause.
Irina!!!
Dann starb er.

Zeit tat das, was sie am besten konnte: Sie verging!

Irina saß vor ihrem Haus in der Falls Ally und sah dem kleinen Dario beim spielen im Schnee zu.
Wie schnell er wächst, dachte sie sich.
Sie blickte die Straße hinunter.
Ein schwarzes Auto mit dem Abbild des Förderationslogos an der Seite bog gerade in die Falls Ally ein.
Sofort verengten sich ihre Augen, konnte sie Dimitri in dem Wagen ausmachen?
Das Auto hielt vor ihr.
Dario kam auf sie zugelaufen und sie nahm ihn auf den Arm.
Drei Männer in schwarzen Uniformen stiegen aus und zogen den Hut vor ihr.
Sie sank zu Boden.
Wo?
Wo war er?
Einer der Männer zog einen schwarzen Umschlag aus seiner schwarzen Jackentasche und reichte ihn Irina.

"Nein!", sagte sie bestimmt.
"Das kann nicht sein!, Das glaube ich nicht.
Gehen sie, gehen sie wieder."

"Frau Piper, es tut mir aufrichti..."

"NEIN!", schrie sie den Mann an.
Dario began zu weinen, wie auch Irina selbst.
"Wie können sie einfach so zu mir können...und...einfach", stammelte sie unter Tränen.
"Sehen sie ihn sich an! Er hat seine Augen...SEHEN SIE IHN AN!"

Sie stand auf und rannte, Dario auf dem Arm, ins Haus.

Drinnen setzte sie sich auf einen Stuhl im Wohnzimmer und weinte. Sie weinte bis der Abend kam.
Durch ein Loch in der Decke, dort wo zwei Dachziegel fehlten, rieselten einige Schneeflocken ins Haus, die sich aber aufgrund der Wärme des Kamins sofort verflüchtigten.
Denn draußen war Winter.

Tiefster Winter