Command & Conquer auf dem absteigenden Ast: Heißt es bald „Game Over“?
Liebe C&C-Fans und die, die es vielleicht mal waren,
es ist schon wieder soweit: Ein neues Spiel steht uns bevor. Doch noch nie habe ich es in all den letzten Jahren erlebt, dass ein aufkommender Titel derart abweisend diskutiert und zerrissen wird. Auch sind die Verkaufszahlen von Red Alert 3, dessen Release erst knapp anderthalb Jahre zurückliegt, deutlich schlechter ausgefallen als bei Tiberium Wars. Wie konnte C&C in eine solch miserable Schieflage geraten? Dieser Frage möchte ich versuchen, im Folgenden auf den Grund zu gehen.
Vorweg ein paar kurze Worte zu meiner Person (1986 - 2010)
Ich habe von Red Alert 2 bis Kane‘s Rache alle C&C-Titel (Renegade ausgenommen) wettbewerbsmäßig gespielt, z.B. bei dem Clan a-Losers, und mich gleichzeitig sehr stark in der Community engagiert. Einige Beispiele hierfür wären:
- Initiator und Koordinator des ACETON Balance Mod, welcher später von EA als offizieller Zero Hour Patch 1.03/1.04 übernommen wurde.
- Admin und Mitbegründer der Turnierplattform UBZ, welche über mehrere Jahre hinweg wöchentlich C&C-Turniere veranstaltete.
- Organisator von vielen großen C&C-Events, wie z.B. dem UF vs. GR Turnier in RA3 oder der deutschen C&C Generals Meisterschaft, für deren Veranstaltung ich 2006 mit dem EA Community Award ausgezeichnet wurde.
Von Red Alert 2 zu Generals: Ein Fehler, der keiner hätte sein müssen (2003 - 2006)
Als ich im Jahr 2003 an der Release Party von C&C Generals in Köln teilnahm, war die Community sehr skeptisch. Zwar ähnelten sich viele der Kritikpunkte mit denen von heute, allerdings stellte sich die Ausgangslage etwas anders dar: Westwood war gerade zur Geschichte degradiert worden, der Dienst Westwood Online wurde praktisch nicht mehr gepflegt und mit dem kommenden Titel sollte das erste Mal sehr drastisch ein neuer Weg eingeschlagen werden.
Aus meiner Sicht hat EA mit der Art und Weise der Umsetzung von Generals eine riesige Chance vertan und gleichzeitig den Grundstein für viele der folgenden Probleme gelegt. Grundsätzlich war die Idee, ein neues Universum zu schaffen und so auch mehr gestalterische Freiheit zu erlangen, zwar sehr gut, leider aber verstand das Spiel es nicht, die Fans richtig mitzunehmen. Und das, obwohl das Spielkonzept selbst eine Menge Potential aufwies, worauf auch die bis heute relativ hohe Multiplayer-Aktivität des harten Kerns maßgeblich zurückzuführen ist (ein schönes Beispiel hierfür ist die Liga Clanwars).
Folgende Ursachen lassen sich für das nicht freigewordene Potential und die oft fehlende Akzeptanz in der Community im Wesentlichen nennen:
- Der miserable Zustand von Westwood Online (WOL) führte bei der damals noch sehr großen und aktiven Multiplayer-Gemeinde von RA2, TS und Renegade bereits vor Release zu einem ersten Vertrauensbruch und verursachte Auflösungserscheinungen. Um ein Beispiel zu nennen: Die Lobbys waren überflutet mit Chat-Bots, welche unter anderem Links zu Cheat-Software spamten. Anstatt im Sinne der Spieler gezielt dagegen vorzugehen, wurde der Chat komplett abgestellt und damit das Multiplayerlebnis stark eingeschränkt. Das Problem blieb allerdings bestehen, denn die Bots jointen nun einfach direkt die gehosteten Channels.
- Die Tatsache, dass Generals nun über GameSpy abgewickelt wurde und dieses eine um Längen schwächere Multiplayeroberfläche bot, welche all die alten WOL-Features (z.B. Clansupport) vermissen ließ, erschütterte die über Jahre angewachsenen und bewährten Community-Strukturen. Insgesamt stellte es eine große Enttäuschung dar.
- Das Spiel war bei seinem Release - trotz einer vorhergegangenen Beta-Phase - in einem katastrophal schlechten Zustand. Selbst nach den ersten paar Hotfixes mussten Online-Spiele als ein Abenteuer angesehen werden.
- Der weiterführende Support war quantitativ wie qualitativ schlecht. Bis heute sind sowohl das Grundspiel als auch das Add-On durchpflügt mit Bugs in vielerlei Bereichen. Ein schönes Beispiel hierfür wäre der Scud-Bug, den man mit dem Patch 1.03 versuchte zu beseitigen, der aber bis heute immer noch angewendet werden kann.
- Vor allem im Bereich des Singleplayers ließ sich ein Bezug zur Marke C&C oft nur mit der Lupe suchen. Typische Merkmale eines C&C-Spiels, wie FMV-Sequenzen, eine ausgeklügelte Story und ein anspruchsvolles Kampagnendesign, waren Fehlanzeige.
Ergänzend möchte ich noch anführen, dass Harvard Bonin, Producer von C&C Generals, auf der angesprochenen Releaseparty angekündigt hatte, es würde – ersatzweise für einige der fehlenden WOL-Features – ein sogenanntes Ladder Kit geben. Dieses sollte bereits auf der CD enthalten sein. War es natürlich nicht. Daraufhin wurde monatelang kommuniziert, es würde bald zum Download bereitstehen (Interview mit Harvard Bonin). Dies geschah ebenfalls nie, stattdessen wurde die Kommunikation komplett eingestellt und die Community im Regen stehen gelassen.
Tiberium Wars: Ein Neustart, der eine große Chance bedeutete (2006 - 2008)
Auf der Games Convention im Sommer 2006 in Leipzig hatten ich und viele andere eingeladene C&C-Spieler das erste Mal die Möglichkeit, TW aus der Nähe zu betrachten und mit einigen Entwicklern ins Gespräch zu kommen. Bei dieser Gelegenheit entschuldigte sich Mike Verdu, Executive Producer von Tiberium Wars, vor den versammelten Fans für Fehler in der Vergangenheit und explizit für das nie erschienene Ladder Kit. Insgesamt sollte mit dem neuen Teil der Tiberium Saga nun alles besser werden. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde das Konzept des EA Live Teams beworben, mit der Aufgabenstellung, Support für alle C&C-Spiele ab Generals zu leisten. Als geplante Arbeitsaufnahme wurde der Zeitraum rund um den TW-Release ausgegeben. Auch sollte der dritte Tiberium-Teil spieltechnisch wieder an die alten Traditionen anknüpfen und mit dem Slogan „RTS as a Sport“ die hohe Bedeutung und der angestrebte Charakter des Multiplayers herausgestellt werden.
Dieser Tenor war auf dem Community Summit im Dezember 2006 bei EALA unverändert zu vernehmen, an welchem ich ebenfalls teilnahm. Unter anderem gab es hierbei eine „RTS as a Sport“ Präsentation, bei der die großen Pläne für den Multiplayer konkretisiert wurden. Auf die Aussage, dass GameSpy erneut die Online-Plattform stellen würde, erfolgte übrigens lautes, enttäuschtes, kollektives Stöhnen in der Runde. Hierbei wurde aber sofort beschwichtigt, mit dem Argument: „Wir müssen es richtig machen, es sind nicht die Fehler von GameSpy“.
Aufgrund der Tatsache, dass seit dem Erscheinen von CCG/ZH schon mehrere Jahre verstrichen waren und man der Community über mehrere Monate hinweg glaubhaft einen Tapetenwechsel versprochen hatte, war die Vorfreude auf das Spiel sehr groß. Bereits kurz nach Release wurde aber schon vielen bewusst, dass dieser Hype nicht berechtigt gewesen sein konnte. Während der Singleplayer ein einigermaßen akzeptables Niveau erreichte, konnte das Spiel im Multiplayer nicht überzeugen und verfehlte damit die hochgesteckten Ziele.
Hierfür lassen sich unter anderem folgende Ursachen anführen:
- Die versprochenen Multiplayerfeatures, wie z.B. Laddersystem, Clansupport, Battlecast-System, mit denen monatelang geworben wurde, befinden sich bis heute in einem schlechten Zustand. Die vielen Verbesserungsvorschläge, die seit dem Community Summit 2006 gegeben wurden, nahmen auf die Entwicklung keinen nennenswerten Einfluss.
- Auch in Sachen Bugs war das Spiel wieder in einer inakzeptablen Verfassung. So brauchte es z.B. mehrere Patches, bis die Fraktion Scrin überhaupt spielbar war, da deren Sammler nicht korrekt funktionierten.
- Das Spielprinzip wirkt bis heute nicht zu Ende gedacht. So wurden z.B. mehrmals massive Veränderungen an grundlegenden Spielmechaniken wie der Economy oder dem Bauradius vorgenommen. Die letzten sogar noch beim Add-On Kane’s Wrath. Und das, obwohl bereits während des Community Summit 2006 z.B. auf die Economy-Problematik hingewiesen wurde. Auch sonst beinhaltete das Game sehr viele „Luck-Elemente“ und Taktiken, wie z.B. Bo-Poker, den Engi-Rush oder massives Towern, welche den Spielspaß eintrübten. Und dass im WCG-Finale 2007 von beiden Finalisten genau eine Einheit gespamed wurde, nämlich der Seeker, spricht Bände.
- Der weiterführende Support machte zunächst große Hoffnungen. Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass die gerade anfangs quantitativ sehr große Anzahl an Patches qualitativ den vorhandenen Problemen nicht gerecht werden konnte. Der versprochene 1.10 Patch für Tiberium Wars ist nie erschienen. Auch der Kane’s Wrath Patch 1.03, für den sogar offiziell von der Community Feedback gesammelt wurde, ist in der Versenkung verschwunden (offizielle Feedback-Sammlung für KW 1.03).
WCG-Finale 2007
How C&C3 is supposed to be played
Randbemerkungen:
- Das EA-Live-Team startete seine Arbeit mit dem Patch 1.02 für Kane’s Wrath.
- Kane’s Wrath wurde in weiten Teilen nicht von EALA produziert, sondern outgesourced an BreakAway Games.
Kane's Wrath, Red Alert 3 und der Shooter Tiberium: Electronic Arts rast mit Vollgas gegen die Wand (2008 - 2009)
Man traute seinen Augen kaum, als man zu lesen bekam, dass mit Kane’s Wrath bereits ein Beta-Key für Red Alert 3 mitgeliefert werden sollte. Schon wieder ein neues C&C? Im Prinzip war damals bereits das Todesurteil für das anstehende TW-Add-On unterschrieben, bevor es überhaupt im Laden stand. Denn welche langfristige Perspektive kann ein Spiel haben, dessen Nachfolger schon einige Monate später die Fans „beglücken“ soll? Man kaufte quasi die Katze im Sack.
Red Alert 3 habe ich nicht intensiv genug gespielt, um mir fundamental tiefgehende Urteile über das GamePlay erlauben zu können. Nichtsdestotrotz haben die Kommentare und Diskussionen in der Community gezeigt, dass das Spiel im Wesentlichen an den gleichen Problemen wie seine bereits oben behandelten Vorgänger gelitten hat. Häufig konnte man lesen, dass der übertriebene Anime-Stil und das starke Abweichen von den Spielmechaniken im Vergleich zu RA2 kritisiert wurde. Auch die notwendige Online-Aktivierung war immer wieder ein Punkt des Anstoßes.
Die Multiplayeroberfläche hatte sich im Vergleich zu TW/KW übrigens wieder verschlechtert. So ist es z.B. bis heute nicht möglich, mit mehr als einer Person einen privaten Chat zu führen. Und die Tatsache, dass der World Builder erst ca. zwei Monate nach Release zur Verfügung stand, ist auch erwähnenswert. Dass das Add-On Uprising nur für den Singleplayermodus entwickelt wurde und der Vertrieb anfangs ausschließlich online erfolgte, wird vielen Fans ebenfalls aufgestoßen sein, dürfte aber mit den niedrigen Erfolgserwartungen zu tun haben, die diesem Produkt im Vorfeld beigemessen wurden. Von einem neuen Patch, der von der aktiven Community vehement eingefordert wird, ist nichts mehr zu hören.
Eigentlich hätte im Jahr 2008 auch noch der Shooter Tiberium erscheinen sollen. Doch kurioser Weise trat genau das ein, was keiner für möglich gehalten hatte: EALA brach die Entwicklung eines Spiels aufgrund mangelnder Qualität ab. Hier ein original Zitat (Quelle):
Zitat von PC Games
Tiberian Twillight: Das Verkennen von Problemen und ein möglicher Todesstoß für die gesamte Spieleserie (2009 - 2010)
Glaubt man den Äußerungen von (ehemaligen) EA-Mitarbeitern, so sind die Verkaufszahlen von Red Alert 3 sehr schlecht ausgefallen und deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Spielezeitschrift GameStar spricht in einem relativ kritischen Artikel über C&C4 alleine für Deutschland (einem sehr wichtigen Markt für C&C) von einem Verkaufsrückgang von rund 50% im Vergleich zu Tiberium Wars. Tiberian Twillight ist nun das Ergebnis aus diesem schlechten Abschneiden. Die Verantwortlichen bei EALA waren der Auffassung, dass das alte RTS-Modell nicht mehr tragen würde und man auf aktuelle Trends aufspringen müsse. So interpretiere ich jedenfalls meine Erfahrungen auf der Command Com im Sommer letzten Jahres (Blog zur Command Com).
Diese Schlussfolgerung seitens EA ist grundlegend falsch und verkennt die tatsächlichen Probleme, welche offensichtlich werden, wenn man die letzten Jahre Revue passieren lässt. C&C wurde über diese ganze Zeit hinweg sukzessive kaputt gemacht. Mit jedem neuen Spiel, das weit hinter den Erwartungen zurück geblieben ist, wurde die Enttäuschung größer und das Interesse geringer. Weiterhin ist der Markt schnell gesättigt. Man kann nicht jedes Jahr ein neues C&C-Spiel veröffentlichen und schon gar nicht erst mehrere. Dies beeinträchtigt die Qualität der Produkte und steht den Interessen der Mehrheit der RTS-Spieler entgegen. Denn diese wollen vor allem eines: Ein hochwertiges Game, das sie fesselt und welches nicht nach 3 Monaten wieder in ihrem Schrank verschwindet. Letztlich wurde es über die letzten Jahre also versäumt, Kundenbindung zu betreiben. Hinter dem zunehmenden Misserfolg steckt ein Prozess, welcher wiederum zurückzuführen ist auf eine falsche Unternehmensstrategie, die voll auf Kurzfristigkeit setzt und seit Generals praktiziert wird.
C&C4 kann also nicht die Lösung der Probleme sein. Ganz im Gegenteil, das Spiel verschärft sie sogar noch und zwar nicht nur aufgrund des Wiederholens altbekannter Fehler. Während man bei Tiberium Wars „RTS as a Sport“ als Maßgabe formuliert hatte, entzieht man Tiberian Twillight nun absichtlich ein großes Maß an Spieltiefe und damit auch an Langzeitmotivation. Kommentare von Entwicklern, wie "Schnelligkeit soll nicht mehr so stark belohnt werden." oder "Unsere Probanden hatten Probleme damit, einen zweiten Sammler zu bauen.", sind Programm. Weiterhin beweist man mangelndes Fingerspitzengefühl, indem man gerade im Tiberium-Universum und dann auch noch bei dem letzten Teil der Kane-Saga einen solchen Kahlschlag vollzieht. Damit werden viele treue Fans vor den Kopf gestoßen und der Wiederkennungswert der Marke verwässert. Wofür steht C&C noch? Und auf die Gefahr hin, dass ich mit dieser Meinung in den Augen von so manch (rarem) C&C4-Begeistertem komplett falsch liege, so sollte sich dieser eines vor Augen führen: Selbst wenn das Konzept von Tiberian Twillight deiner Meinung nach noch so toll und vielversprechend ist, es wird aufgrund der Unternehmensstrategie von EA keine Zukunft haben. Das Spiel wird – trotz einer Beta – in einem problematischen Zustand auf den Markt kommen und der Support mau ausfallen.
Was nun, Commander?
Als im Dezember 2004 Mark Skaggs, unter anderem Executive in Charge of Production bei C&C Generals, in einer persönlichen Mitteilung an die Community Red Alert 3 ankündigte (damalige Meldung auf Planet CnC), wusste noch keiner, dass er schon kurze Zeit darauf bei EA seinen Hut nehmen würde. Und als dies geschehen war und damit das Projekt RA3 erst mal in der Versenkung verschwand, konnte man über die exakten Gründe nur spekulieren. Nun hat er sich vor Kurzem überraschend zu dieser Frage geäußert (Quelle):
Zitat von Mark Skaggs
Die Frage, die sich nun stellt, ist, welche Rolle Jon Van Caneghem einnehmen wird: Die des Henkers, die des Insolvenzverwalters oder die des Retters? Die Zeit wird es zeigen, doch eines weiß ich schon jetzt: Ohne eine grundlegende Veränderung der Unternehmensstrategie, ohne eine massive Qualitätsoffensive, wird das Schiff endgültig untergehen. Ich schlage JVC folgenden ersten Schritt vor: Beseitigung aller wesentlichen Bugs in allen C&C-Spielen seit Generals und damit gleichzeitig die Wiedereinstellung des EA Live Teams. Für die Entwicklung eines neuen Spiels sollte er sich nun in Ruhe Zeit nehmen, die Situation zu evaluieren und Bedingungen zu schaffen, unter denen für uns Kunden erfolgreich gearbeitet werden kann.
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