BAG, Urteil vom 14.8.1996 - 10 AZR 69/96 -
Verzicht auf Anspruch aus betrieblicher Übung
Fundstellen: AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; EzA Nr. 144 zu § 611 BGB Gratifikation, Prämie; NZA 1996,1323; DB 1996, 2547
Leitsatz:
Teilt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern durch Aushang mit, er könne aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Betriebes in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld zahlen, so liegt darin kein Angebot an die Arbeitnehmer, die bestehende betriebliche Übung zu ändern. In der – zunächst – widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer kann daher auch keine Annahme eines Änderungsangebotes gesehen werden
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993.
Der Kläger ist seit vielen Jahren bei der Beklagten beschäftigt. In der Vergangenheit zahlte die Beklagte an ihre Mitarbeiter jährlich eine Weihnachtsgratifikation.
Am 4. Dezember 1992 teilte die Beklagte am “Schwarzen Brett” mit:
“Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!
Wir müssen Ihnen leider die Mitteilung machen, daß in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden kann. Nach reiflicher Überlegung und betriebswirtschaftlicher Prüfung ist die Geschäftsleitung zu dem Ergebnis gekommen, daß aus wirtschaftlichen Gründen eine Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht möglich ist. Zudem würden die Banken aufgrund der angespannten Wirtschaftssituation und der Rezession in der Automobilindustrie auch keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren wieder positiver sein, werden wir unseren Mitarbeitern selbstverständlich alle Vergünstigungen, wie gehabt wieder zukommen lassen.”
Auch im Jahr 1993 zahlte die Beklagte keine Weihnachtsgratifikation, gab vielmehr durch einen Aushang vom 14. Dezember 1993 den Mitarbeitern bekannt:
“Weihnachtsgeld 1993
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
im Auftrag der Geschäftsleitung müssen wir Ihnen leider die Mitteilung machen, daß wir in diesem Jahr aus wirtschaftlichen Gründen kein Weihnachtsgeld auszahlen können.
Wir hoffen, daß sich die wirtschaftliche Lage im nächsten Jahr dahingehend entspannt, daß wieder Weihnachtsgeld gezahlt werden kann.”
Der Kläger ... ist der Ansicht, durch eine mehr als dreimalige vorbehaltlose Zahlung der Weihnachtsgratifikation in den Jahren bis 1991 sei eine betriebliche Übung auf zukünftige Gewährung entstanden. Er habe nicht durch widerspruchsloses weiteres Tätigwerden auf seinen Anspruch verzichtet. ...
Die Beklagte ... ist der Ansicht, der Kläger habe den verschlechternden Arbeitsbedingungen konkludent zugestimmt, weil er seine Arbeit widerspruchslos fortgesetzt habe. Unabhängig davon sei sein Anspruch auch verwirkt. ...
Kernaussagen des Urteils:
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993 in der unstreitigen Höhe von 930,00 DM netto.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine betriebliche Übung sei durch die vorbehaltlose dreijährige Zahlung in den Jahren 1989 bis 1991 entstanden. Der Anspruch sei nicht dadurch entfallen, daß der Kläger nach dem Aushang am “Schwarzen Brett” seine Tätigkeit im Betrieb widerspruchslos fortgesetzt habe. Besondere Umstände, die einen Verzicht des Klägers auf seinen Gratifikationsanspruch ergeben könnten, ließen sich dem Vortrag der Parteien nicht entnehmen.
Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zu folgen.
II. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993, der sich aus einer betrieblichen Übung ergibt.
1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, daß er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr durch einseitigen Widerruf wieder lossagen kann (BAG seit Urteil vom 23. April 1963 [3 AZR 173/62] AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, der Kläger habe durch die vorbehaltlose Gewährung der Weihnachtsgratifikation in den Jahren 1989 bis 1991 aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf Gewährung einer Gratifikation für die Zukunft und damit auch für das Jahr 1993 erworben.
Der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ist zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden, so daß er auf individualrechtlichem Wege nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ohne dessen Mitwirkung nicht mehr untergehen konnte (BAGE 23, 213 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
2. Der aus betrieblicher Übung entstandene Anspruch wurde nicht durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages beseitigt.
Da eine betriebliche Übung bewirkt, daß die üblich gewordene Vergünstigung als arbeitsvertragliche Leistung vom Arbeitgeber geschuldet wird, ist es auch möglich, diesen vertraglichen Anspruch durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuändern oder aufzuheben (BAG Urteil vom 17. Dezember 1994 – 10 AZR 285/94–, n.v.).
Allerdings kann eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers als Annahme werten. Schweigen allein stellt in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem ausweislich § 147 BGB nicht zu. Vor allem in Fällen einer Offerte zwecks nachteiliger Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist. Nur unter besonderen Umständen kann Schweigen des Erklärungsempfängers als Zustimmung zu verstehen sein, wenn nämlich der Erklärende nach Treu und Glauben annehmen durfte, der andere Vertragsteil würde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmen wolle (BAG Urteil vom 30. Juli 1985 [3 AZR 405/83] – AP Nr. 13 zu § 65 HGB).
3. Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Es erscheint schon fraglich, ob der Aushang der Beklagten vom 4. Dezember 1992 überhaupt ein Angebot an die Arbeitnehmer zur Änderung einer Regelung darstellt. Seinem Wortlaut nach enthält der Aushang nur die schlichte Mitteilung, daß in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden kann, und gibt als Begründung dafür wirtschaftliche Gründe an. Allenfalls konnte die Beklagte hoffen, daß die Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die dargestellte schwierige wirtschaftliche Lage Verständnis aufbringen und es hinnehmen würden, daß in diesem Jahr – 1992 – kein Weihnachtsgeld gezahlt wird. Dafür kann sprechen, daß nach den beigezogenen Vorakten auch der Parallelverfahren kein Arbeitnehmer vor Anfang 1994 eine Weihnachtsgratifikation auch für das Jahr 1992 verlangt hat.
Der Aushang vom 14. Dezember 1993 für das Jahr 1993 enthält noch weniger ein Angebot der Beklagten zur Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich des Weihnachtsgeldes für die Zukunft oder wenigstens auf einen Verzicht auch für dieses Jahr. Der Aushang stammtnicht einmal von der Beklagten selbst, sondern von einem Angestellten, der “im Auftrag der Geschäftsleitung” schlicht mitteilt, daß auch in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden könne.
Auf die bloße Mitteilung des Schuldners, er werde einen Anspruch nicht erfüllen, muß der Gläubiger nicht ablehnend reagieren. Er kann seinen Anspruch jederzeit geltend machen, solange diesem nicht Ausschluß- oder Verjährungsfristen entgegenstehen. Tut er das nicht, kann der Schuldner daraus nicht herleiten, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch verzichtet.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß – wie dargelegt – die Arbeitnehmer und damit auch der Kläger 1992 möglicherweise auf die Weihnachtsgratifikation verzichtet haben. Allein deswegen konnte die Beklagte nicht erwarten, die Arbeitnehmer würden auch für ein weiteres Jahr oder gar bis zur Besserung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten auf die Weihnachtsgratifikation verzichten. Dies um so weniger, als in dem Aushang vom 14. Dezember 1993 von einer Bitte um Verständnis keine Rede sein kann.
Der Kläger hat durch seine Anfang 1994 erhobene Klage auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1992 der Beklagten deutlich gemacht, daß er auf diese nicht verzichte. Die Beklagte mußte damit rechnen, daß der Kläger auch die Weihnachtsgratifikation für 1993 verlangen wird, wenn diese Klage Erfolg hat. Unter diesen Umständen scheidet eine Verwirkung des Anspruchs auf die Weihnachtsgratifikation für 1993 aus.
lg
bernd
Verzicht auf Anspruch aus betrieblicher Übung
Fundstellen: AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; EzA Nr. 144 zu § 611 BGB Gratifikation, Prämie; NZA 1996,1323; DB 1996, 2547
Leitsatz:
Teilt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern durch Aushang mit, er könne aufgrund der wirtschaftlichen Lage des Betriebes in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld zahlen, so liegt darin kein Angebot an die Arbeitnehmer, die bestehende betriebliche Übung zu ändern. In der – zunächst – widerspruchslosen Weiterarbeit der Arbeitnehmer kann daher auch keine Annahme eines Änderungsangebotes gesehen werden
Aus dem Sachverhalt:
Die Parteien streiten um eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993.
Der Kläger ist seit vielen Jahren bei der Beklagten beschäftigt. In der Vergangenheit zahlte die Beklagte an ihre Mitarbeiter jährlich eine Weihnachtsgratifikation.
Am 4. Dezember 1992 teilte die Beklagte am “Schwarzen Brett” mit:
“Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter!
Wir müssen Ihnen leider die Mitteilung machen, daß in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden kann. Nach reiflicher Überlegung und betriebswirtschaftlicher Prüfung ist die Geschäftsleitung zu dem Ergebnis gekommen, daß aus wirtschaftlichen Gründen eine Zahlung des Weihnachtsgeldes nicht möglich ist. Zudem würden die Banken aufgrund der angespannten Wirtschaftssituation und der Rezession in der Automobilindustrie auch keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Sollte die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren wieder positiver sein, werden wir unseren Mitarbeitern selbstverständlich alle Vergünstigungen, wie gehabt wieder zukommen lassen.”
Auch im Jahr 1993 zahlte die Beklagte keine Weihnachtsgratifikation, gab vielmehr durch einen Aushang vom 14. Dezember 1993 den Mitarbeitern bekannt:
“Weihnachtsgeld 1993
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
im Auftrag der Geschäftsleitung müssen wir Ihnen leider die Mitteilung machen, daß wir in diesem Jahr aus wirtschaftlichen Gründen kein Weihnachtsgeld auszahlen können.
Wir hoffen, daß sich die wirtschaftliche Lage im nächsten Jahr dahingehend entspannt, daß wieder Weihnachtsgeld gezahlt werden kann.”
Der Kläger ... ist der Ansicht, durch eine mehr als dreimalige vorbehaltlose Zahlung der Weihnachtsgratifikation in den Jahren bis 1991 sei eine betriebliche Übung auf zukünftige Gewährung entstanden. Er habe nicht durch widerspruchsloses weiteres Tätigwerden auf seinen Anspruch verzichtet. ...
Die Beklagte ... ist der Ansicht, der Kläger habe den verschlechternden Arbeitsbedingungen konkludent zugestimmt, weil er seine Arbeit widerspruchslos fortgesetzt habe. Unabhängig davon sei sein Anspruch auch verwirkt. ...
Kernaussagen des Urteils:
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993 in der unstreitigen Höhe von 930,00 DM netto.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, eine betriebliche Übung sei durch die vorbehaltlose dreijährige Zahlung in den Jahren 1989 bis 1991 entstanden. Der Anspruch sei nicht dadurch entfallen, daß der Kläger nach dem Aushang am “Schwarzen Brett” seine Tätigkeit im Betrieb widerspruchslos fortgesetzt habe. Besondere Umstände, die einen Verzicht des Klägers auf seinen Gratifikationsanspruch ergeben könnten, ließen sich dem Vortrag der Parteien nicht entnehmen.
Dem Landesarbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als auch weitgehend in der Begründung zu folgen.
II. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1993, der sich aus einer betrieblichen Übung ergibt.
1. Unter einer betrieblichen Übung wird die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aufgrund einer Willenserklärung, die von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Vergünstigungen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen, eine Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, mit der Folge, daß er sich von dieser Verpflichtung nicht mehr durch einseitigen Widerruf wieder lossagen kann (BAG seit Urteil vom 23. April 1963 [3 AZR 173/62] AP Nr. 26 zu § 611 BGB Gratifikation).
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen, der Kläger habe durch die vorbehaltlose Gewährung der Weihnachtsgratifikation in den Jahren 1989 bis 1991 aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf Gewährung einer Gratifikation für die Zukunft und damit auch für das Jahr 1993 erworben.
Der Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation ist zum Inhalt des Arbeitsvertrages des Klägers geworden, so daß er auf individualrechtlichem Wege nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts ohne dessen Mitwirkung nicht mehr untergehen konnte (BAGE 23, 213 = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
2. Der aus betrieblicher Übung entstandene Anspruch wurde nicht durch eine einvernehmliche Änderung des Arbeitsvertrages beseitigt.
Da eine betriebliche Übung bewirkt, daß die üblich gewordene Vergünstigung als arbeitsvertragliche Leistung vom Arbeitgeber geschuldet wird, ist es auch möglich, diesen vertraglichen Anspruch durch eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abzuändern oder aufzuheben (BAG Urteil vom 17. Dezember 1994 – 10 AZR 285/94–, n.v.).
Allerdings kann eine Vertragspartei, die in ein bestehendes Vertragsverhältnis einschränkende Bedingungen einführen will, nach der Verkehrssitte nicht schon das bloße Schweigen des Empfängers als Annahme werten. Schweigen allein stellt in der Regel keine Willenserklärung dar, also auch keine Annahme eines Angebots zur Änderung eines bestehenden Vertrages. Wer auf ein Angebot nicht reagiert, stimmt diesem ausweislich § 147 BGB nicht zu. Vor allem in Fällen einer Offerte zwecks nachteiliger Veränderung einer bestehenden Vertragssituation kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß derjenige, der nicht reagiert, mit dem ihm angesonnenen Nachteil einverstanden ist. Nur unter besonderen Umständen kann Schweigen des Erklärungsempfängers als Zustimmung zu verstehen sein, wenn nämlich der Erklärende nach Treu und Glauben annehmen durfte, der andere Vertragsteil würde der angebotenen Vertragsänderung widersprechen, wenn er ihr nicht zustimmen wolle (BAG Urteil vom 30. Juli 1985 [3 AZR 405/83] – AP Nr. 13 zu § 65 HGB).
3. Solche Umstände sind vorliegend nicht gegeben. Es erscheint schon fraglich, ob der Aushang der Beklagten vom 4. Dezember 1992 überhaupt ein Angebot an die Arbeitnehmer zur Änderung einer Regelung darstellt. Seinem Wortlaut nach enthält der Aushang nur die schlichte Mitteilung, daß in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden kann, und gibt als Begründung dafür wirtschaftliche Gründe an. Allenfalls konnte die Beklagte hoffen, daß die Arbeitnehmer mit Rücksicht auf die dargestellte schwierige wirtschaftliche Lage Verständnis aufbringen und es hinnehmen würden, daß in diesem Jahr – 1992 – kein Weihnachtsgeld gezahlt wird. Dafür kann sprechen, daß nach den beigezogenen Vorakten auch der Parallelverfahren kein Arbeitnehmer vor Anfang 1994 eine Weihnachtsgratifikation auch für das Jahr 1992 verlangt hat.
Der Aushang vom 14. Dezember 1993 für das Jahr 1993 enthält noch weniger ein Angebot der Beklagten zur Änderung der Arbeitsverträge hinsichtlich des Weihnachtsgeldes für die Zukunft oder wenigstens auf einen Verzicht auch für dieses Jahr. Der Aushang stammtnicht einmal von der Beklagten selbst, sondern von einem Angestellten, der “im Auftrag der Geschäftsleitung” schlicht mitteilt, daß auch in diesem Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt werden könne.
Auf die bloße Mitteilung des Schuldners, er werde einen Anspruch nicht erfüllen, muß der Gläubiger nicht ablehnend reagieren. Er kann seinen Anspruch jederzeit geltend machen, solange diesem nicht Ausschluß- oder Verjährungsfristen entgegenstehen. Tut er das nicht, kann der Schuldner daraus nicht herleiten, der Gläubiger habe auf seinen Anspruch verzichtet.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß – wie dargelegt – die Arbeitnehmer und damit auch der Kläger 1992 möglicherweise auf die Weihnachtsgratifikation verzichtet haben. Allein deswegen konnte die Beklagte nicht erwarten, die Arbeitnehmer würden auch für ein weiteres Jahr oder gar bis zur Besserung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten auf die Weihnachtsgratifikation verzichten. Dies um so weniger, als in dem Aushang vom 14. Dezember 1993 von einer Bitte um Verständnis keine Rede sein kann.
Der Kläger hat durch seine Anfang 1994 erhobene Klage auf die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1992 der Beklagten deutlich gemacht, daß er auf diese nicht verzichte. Die Beklagte mußte damit rechnen, daß der Kläger auch die Weihnachtsgratifikation für 1993 verlangen wird, wenn diese Klage Erfolg hat. Unter diesen Umständen scheidet eine Verwirkung des Anspruchs auf die Weihnachtsgratifikation für 1993 aus.
lg
bernd