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Ich finde es unglaublich, dass in der heutigen Zeit noch nach solchen Standards rechtskräftige Urteile gefällt werden. Wenn man solche Mittelungen ließt, dann fällt es einem schwer (oder zumindest mir), den Islam als zum friedlichen Zusammenleben fähige Religion wahrzunehmen. Dass es auch gemäßigte Moslems gibt (und jene zumindest hierzulande einen Großteil der Gesamtheit ausmachen), habe ich aus erster Hand erfahren dürfen, aber wenn ich solche Mitteilungen lese, dann kann ich nur traurig den Kopf schütteln. Solange solche barbarischen Sitten noch mit dem Koran gerechtfertigt werden (und ich rede hier von einem - sich selbst gerne als modern ausgebenden - Staat, der sich Republik schimpft, und nicht von irgendwelchen Fundamentalisten, die in Berghöhlen im Kundus sitzen), sehe ich um ehrlich zu sein keinerlei Rechtfertigung dafür, den Islam in der westlichen Welt ohne Kontroverse oder öffentliche Diskussion anzunehmen. Doch genau dafür wird man heutzutage, erst recht nach den traurigen Ereignissen in Oslo und Utøya, ja geradezu an die Wand gestellt. Gutmenschen much?
Ich finde es gut, dass die Frau auf ihr "Recht" verzichtet hat, den Mann zu blenden. Auch wenn ich selbst anders gehandelt hätte, aber vielleicht respektiere ich sie gerade deswegen. Dass sie jedoch von anfang an so gedacht hat, bezweifle ich. Ich wäre außer mir vor Zorn und würde jegliche Hebel in Bewegung setzen, diesem Menschen weh zu tun und zwar auf eine Weise, die dem Wort Qual eine gänzlich neue Dimension verschaffen würde. In einem solchen Gemütszustand derart kalkulierend zu handeln halte ich für unmöglich.
Amene Bahrami sollte ihrem Peiniger mit Säure das Augenlicht nehmen, doch in letzter Minute verzichtete sie auf Vergeltung. Sie sagt nun, Madschid Mowahedi sei ihr aus Dankbarkeit zu Füßen gefallen - und habe erneut um ihre Hand angehalten.
Info
Teheran - Madschid Mowahedi ging am Sonntagmorgen davon aus, dass er an diesem Tag erblinden werde. Im Jahr 2009 hatte ein Scharia-Gericht Amene Bahrami das Recht zugesprochen, ihm mit Säure die Augen zu verbrennen. Fünf Tropfen ins linke Auge, fünf ins rechte.
Es war ein Urteil nach dem Prinzip "Auge um Auge": Im November 2004 hatte Mowahedi seiner damaligen Kommilitonin Bahrami Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet. Bahrami hatte seinen Heiratswunsch abgewiesen. Sie verlor ihr Augenlicht, ihr Gesicht wurde entstellt - aber sie lebte. Später sagte Bahrami, Mowahedi habe "höhnisch gelacht", als ihre Augen verbrannten.
Trotzdem verzichtete Bahrami in letzter Minute auf die Vergeltungstat. Am Sonntag telefonierte sie mit Julia Loschelder, Pressesprecherin der Münchner Verlagsgruppe, die Bahramis Buch "Auge um Auge" veröffentlichte. Bahrami schilderte ihr den Ablauf am Morgen.
"Ich habe nicht deinetwegen verzichtet"
Eine Eskorte habe sie und ihre Familie ins Krankenhaus gebracht. "Als Madschid mich sah, hat er mich beschimpft: Du fette Kuh, Du alte Jungfer." Er habe geweint und zu ihr gesagt: "Zwischen dir und mir gibt es keinen Unterschied. Du wirst büßen für das, was du tust." Darauf habe Amene gesagt: "Erst wirst du büßen und dann ich."
Als die Betäubung vorbereitet wurde, habe sie dem Staatsanwalt mitgeteilt, dass sie auf die Vollstreckung des Urteils verzichtet. Madschid sei aufgesprungen, er habe ihre Hände und Füße geküsst. "Dann hat er gesagt: 'Bitte heirate mich, ich möchte für immer dein Diener sein.'" Amene habe ihn mit den Worten "mach daraus keine Komödie" abgewiesen. "Ich werde dich niemals heiraten, ich habe nicht deinetwegen verzichtet, sondern meinetwegen."
Es klingt unfassbar, dass Mowahedi erneut um ihre Hand angehalten haben soll. Noch verstörender ist jedoch, was Bahrami zu ihren Verzicht mitteilte: "Ich habe den Entschluss schon vor sieben Jahren gefasst. Aber niemand hat das gewusst."
Die wahren Gründe ihrer Entscheidung bleiben unklar
Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten und Exil-Iraner, auch der ehemalige Chef der iranischen Justiz, Ajatollah Mahmud Haschemi Schahrudi, hatten Bahrami gebeten, auf den grausigen Akt der Vergeltung zu verzichten. Doch Bahrami zeigte sich bisher immer entschlossen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen.
"Niemand kann auch nur erahnen, was ich durchgemacht habe", sagte sie im Mai im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE . Für den Moment der Rache habe sie lange gekämpft. "Unser islamisches Recht steht auf meiner Seite. Wer mir mein Augenlicht nimmt, dem darf ich auch sein Augenlicht nehmen."
Sie hatte sogar gegen ein erstes Urteil gekämpft, in dem die Richter eine zwölfjährige Haftstrafe für Mohawedi verhängt hatten und ihr lediglich gestatteten, ein Auge des Attentäters mit Säure zu verätzen. Sie begründeten dies damit, dass nach iranischem Recht und laut Koran eine Frau halb so viel wert sei wie ein Mann. "Folglich zählen zwei Augen einer Frau so viel wie ein Auge eines Mannes."
Doch Bahrami blieb hart und erreichte schließlich ihr Ziel: Die Richter gestatteten Bahrami, Mohawedi beidseitig zu blenden - weil ihre schweren Gesichts- und Handverletzungen gegen das zweite Auge "aufgerechnet" wurden.
Bahrami wurde eine Wiedergutmachung angeboten, umgerechnet 130.000 Euro, dafür sollte sie auf den Racheakt verzichten. "Was mir angetan wurde, ist aber durch Geld nicht aufzuwiegen", sagte sie SPIEGEL ONLINE . Was sie tue, solle ein abschreckendes Beispiel sein für jeden Mann, der sich von einer Frau, die er angeblich liebt, zurückgestoßen fühlt und mit einem Anschlag Rache nehmen will.
Sie sagte im Mai auch, dass Menschenrechtsorganisationen ihr Geld geboten hätten, um sie von der Vergeltung abzuhalten. "Aber ich habe keinen Grund, die Sache hinauszuzögern oder gar aufzugeben." Im selben Monat erklärte sie sich jedoch bereit, für etwa zwei Millionen Euro zu verzichten.
"Amene wollte unbedingt die Vollstreckung des Urteils"
Nun will sie ihre Vergebung als lange geplante Aktion verstanden wissen: "Ich wollte mit meiner Forderung nach zwei Millionen Euro die Menschenrechtsorganisationen bloßstellen", sagte sie laut Loschelder. "Ich habe damit den Beweis angetreten, dass sie im konkreten Fall keine Hilfe leisten."
Hat Bahrami in all den Interviews gelogen, als sie ausführlich begründete, warum diese Vergeltung notwendig und richtig sei? Als sie für Verständnis warb und sogar ein Buch über ihr Leiden verfasste?
Die iranische Nachrichtenagentur Isna zitiert Bahrami mit den Worten: "Ich habe dies aus diversen Gründen getan: wegen Gott, für mein Land und für mich selbst." Außerdem habe ihre Familie diese Rache nicht gewollt. Und: "Ich habe sieben Jahre dafür gekämpft, dass diese Bestrafung ausgeführt wird, aber ich fühle mich jetzt befreit, dass es nicht geschehen ist."
Welche Version ist wahr? Ihr Anwalt erklärte gegenüber Isna, dass er von der Entscheidung seiner Mandantin nichts gewusst habe. "Amene wollte unbedingt die Vollstreckung des Urteils und hatte für einen Verzicht bestimmte Bedingungen", sagte Ali Sarafi, ohne auf diese Bedingungen einzugehen.
Auch wenn Bahrami gegenüber Verlagssprecherin Loschelder versicherte, niemand habe sie unter Druck gesetzt, vermuten Beobachter, dass das Regime bei ihrer Entscheidungsfindung nicht unbeteiligt war. Möglicherweise wollte das Regime verhindern, dass das gern als modern ausgebende Iran als ein Staat dasteht, in dem ein mittelalterliches Rechtssystem angewendet wird.
Bahrami sagte, sie fordere weiterhin umgerechnet rund 150.000 Euro Schadensersatz von der Familie des Täters. "Darauf werde ich nicht verzichten, ich brauche das Geld für meine medizinische Behandlung." Mowahedi, der seit sieben Jahren in Haft ist, kann erst freikommen, wenn Bahrami eine Entschädigung erhalten hat.
Mit Material von dpa und Reuters
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Teheran - Madschid Mowahedi ging am Sonntagmorgen davon aus, dass er an diesem Tag erblinden werde. Im Jahr 2009 hatte ein Scharia-Gericht Amene Bahrami das Recht zugesprochen, ihm mit Säure die Augen zu verbrennen. Fünf Tropfen ins linke Auge, fünf ins rechte.
Es war ein Urteil nach dem Prinzip "Auge um Auge": Im November 2004 hatte Mowahedi seiner damaligen Kommilitonin Bahrami Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet. Bahrami hatte seinen Heiratswunsch abgewiesen. Sie verlor ihr Augenlicht, ihr Gesicht wurde entstellt - aber sie lebte. Später sagte Bahrami, Mowahedi habe "höhnisch gelacht", als ihre Augen verbrannten.
Trotzdem verzichtete Bahrami in letzter Minute auf die Vergeltungstat. Am Sonntag telefonierte sie mit Julia Loschelder, Pressesprecherin der Münchner Verlagsgruppe, die Bahramis Buch "Auge um Auge" veröffentlichte. Bahrami schilderte ihr den Ablauf am Morgen.
"Ich habe nicht deinetwegen verzichtet"
Eine Eskorte habe sie und ihre Familie ins Krankenhaus gebracht. "Als Madschid mich sah, hat er mich beschimpft: Du fette Kuh, Du alte Jungfer." Er habe geweint und zu ihr gesagt: "Zwischen dir und mir gibt es keinen Unterschied. Du wirst büßen für das, was du tust." Darauf habe Amene gesagt: "Erst wirst du büßen und dann ich."
Als die Betäubung vorbereitet wurde, habe sie dem Staatsanwalt mitgeteilt, dass sie auf die Vollstreckung des Urteils verzichtet. Madschid sei aufgesprungen, er habe ihre Hände und Füße geküsst. "Dann hat er gesagt: 'Bitte heirate mich, ich möchte für immer dein Diener sein.'" Amene habe ihn mit den Worten "mach daraus keine Komödie" abgewiesen. "Ich werde dich niemals heiraten, ich habe nicht deinetwegen verzichtet, sondern meinetwegen."
Es klingt unfassbar, dass Mowahedi erneut um ihre Hand angehalten haben soll. Noch verstörender ist jedoch, was Bahrami zu ihren Verzicht mitteilte: "Ich habe den Entschluss schon vor sieben Jahren gefasst. Aber niemand hat das gewusst."
Die wahren Gründe ihrer Entscheidung bleiben unklar
Zahlreiche Menschenrechtsaktivisten und Exil-Iraner, auch der ehemalige Chef der iranischen Justiz, Ajatollah Mahmud Haschemi Schahrudi, hatten Bahrami gebeten, auf den grausigen Akt der Vergeltung zu verzichten. Doch Bahrami zeigte sich bisher immer entschlossen, von ihrem Recht Gebrauch zu machen.
"Niemand kann auch nur erahnen, was ich durchgemacht habe", sagte sie im Mai im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE . Für den Moment der Rache habe sie lange gekämpft. "Unser islamisches Recht steht auf meiner Seite. Wer mir mein Augenlicht nimmt, dem darf ich auch sein Augenlicht nehmen."
Sie hatte sogar gegen ein erstes Urteil gekämpft, in dem die Richter eine zwölfjährige Haftstrafe für Mohawedi verhängt hatten und ihr lediglich gestatteten, ein Auge des Attentäters mit Säure zu verätzen. Sie begründeten dies damit, dass nach iranischem Recht und laut Koran eine Frau halb so viel wert sei wie ein Mann. "Folglich zählen zwei Augen einer Frau so viel wie ein Auge eines Mannes."
Doch Bahrami blieb hart und erreichte schließlich ihr Ziel: Die Richter gestatteten Bahrami, Mohawedi beidseitig zu blenden - weil ihre schweren Gesichts- und Handverletzungen gegen das zweite Auge "aufgerechnet" wurden.
Bahrami wurde eine Wiedergutmachung angeboten, umgerechnet 130.000 Euro, dafür sollte sie auf den Racheakt verzichten. "Was mir angetan wurde, ist aber durch Geld nicht aufzuwiegen", sagte sie SPIEGEL ONLINE . Was sie tue, solle ein abschreckendes Beispiel sein für jeden Mann, der sich von einer Frau, die er angeblich liebt, zurückgestoßen fühlt und mit einem Anschlag Rache nehmen will.
Sie sagte im Mai auch, dass Menschenrechtsorganisationen ihr Geld geboten hätten, um sie von der Vergeltung abzuhalten. "Aber ich habe keinen Grund, die Sache hinauszuzögern oder gar aufzugeben." Im selben Monat erklärte sie sich jedoch bereit, für etwa zwei Millionen Euro zu verzichten.
"Amene wollte unbedingt die Vollstreckung des Urteils"
Nun will sie ihre Vergebung als lange geplante Aktion verstanden wissen: "Ich wollte mit meiner Forderung nach zwei Millionen Euro die Menschenrechtsorganisationen bloßstellen", sagte sie laut Loschelder. "Ich habe damit den Beweis angetreten, dass sie im konkreten Fall keine Hilfe leisten."
Hat Bahrami in all den Interviews gelogen, als sie ausführlich begründete, warum diese Vergeltung notwendig und richtig sei? Als sie für Verständnis warb und sogar ein Buch über ihr Leiden verfasste?
Die iranische Nachrichtenagentur Isna zitiert Bahrami mit den Worten: "Ich habe dies aus diversen Gründen getan: wegen Gott, für mein Land und für mich selbst." Außerdem habe ihre Familie diese Rache nicht gewollt. Und: "Ich habe sieben Jahre dafür gekämpft, dass diese Bestrafung ausgeführt wird, aber ich fühle mich jetzt befreit, dass es nicht geschehen ist."
Welche Version ist wahr? Ihr Anwalt erklärte gegenüber Isna, dass er von der Entscheidung seiner Mandantin nichts gewusst habe. "Amene wollte unbedingt die Vollstreckung des Urteils und hatte für einen Verzicht bestimmte Bedingungen", sagte Ali Sarafi, ohne auf diese Bedingungen einzugehen.
Auch wenn Bahrami gegenüber Verlagssprecherin Loschelder versicherte, niemand habe sie unter Druck gesetzt, vermuten Beobachter, dass das Regime bei ihrer Entscheidungsfindung nicht unbeteiligt war. Möglicherweise wollte das Regime verhindern, dass das gern als modern ausgebende Iran als ein Staat dasteht, in dem ein mittelalterliches Rechtssystem angewendet wird.
Bahrami sagte, sie fordere weiterhin umgerechnet rund 150.000 Euro Schadensersatz von der Familie des Täters. "Darauf werde ich nicht verzichten, ich brauche das Geld für meine medizinische Behandlung." Mowahedi, der seit sieben Jahren in Haft ist, kann erst freikommen, wenn Bahrami eine Entschädigung erhalten hat.
Mit Material von dpa und Reuters
Ich finde es gut, dass die Frau auf ihr "Recht" verzichtet hat, den Mann zu blenden. Auch wenn ich selbst anders gehandelt hätte, aber vielleicht respektiere ich sie gerade deswegen. Dass sie jedoch von anfang an so gedacht hat, bezweifle ich. Ich wäre außer mir vor Zorn und würde jegliche Hebel in Bewegung setzen, diesem Menschen weh zu tun und zwar auf eine Weise, die dem Wort Qual eine gänzlich neue Dimension verschaffen würde. In einem solchen Gemütszustand derart kalkulierend zu handeln halte ich für unmöglich.
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