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Vor langer, langer Zeit, wo der C64 noch der Home-Computer schlechthin war, bekamen viele Kids Post von einer Tanja. Das waren meist Leute, die in Spiele-Zeitschriften den Tausch von Spielen angeboten haben. Ich habe auch Post bekommen, dabei habe ich nur den Verkauf von (wirklich) Original-Spielen angeboten.
Diese Tanja hatte ein Foto von "sich" beigelegt und hat ganz ungezwungen nachgefragt ob man nicht Spiele tauschen will und eine Spieleliste zuschicken könne. "Sie" selbst legte auch gleich eine Liste bei und beschrieb so, was "sie" so mag an Spielen.
Wer selbst darauf antwortete und gar eine Spieleliste beilegte bekam Post von einem Anwalt namens Freiherr Günther von Gravenreuth. Dieser war nämlich Tanja selbst. Mit diesen Tanja-Briefen konnte er eine Menge Kids des Tauschs von Raubkopien überführen.
Nachdem das allerdings in mehreren Spielezeitschriften publik gemacht wurde, fiel kaum noch einer drauf rein.
Das war nur der Anfang von einigen Geschmacklosigkeiten dieses Anwalts.
Günni, wie er auch in der Szene genannt wird, ist eigentlich ein ganz netter Typ und trieb sich auch auf Copyparties herum (das waren Veranstaltungen wo man Software tauschte). Andererseits ist er ein Anwalt der praktisch auch über Leichen geht. Bestes Beispiel ist der Symicron-Fall. Wenn euch das noch interessiert kann ich ja noch bissl weiter schreiben
Naja Quintus, das war ne andere Zeit. Brenner gabs nich, alles lief über Disketten (5 1/4 Zoll, 360 KB).
Da hat man noch die Disketten gelocht, damit man mit der Floppy 1541 beide Seiten der Disk nutzen konnte.
Es gab praktisch niemanden der keine kopierten Spiele hatte. Die damaligen Kopierschutzmechanismen wurden alle schnell geknackt. Das war damals noch echte Hackerkunst, denn es musste ja noch neben dem gecrackten Programm der Vorspann der Cracker rein.
Teilweise war es auch so das die Cracker Bugs im Programm fixten und das Ding als Crack besser lief als im Original.
Besorg dir mal einen C64-Emulator (z.B. von www.c64games.de) und paar Spiele. Du wirst nur sehr wenig Spiele finden, die nicht geknackt wurden. Keine Sorge, heute wird dir keiner mehr die Bude einrennen für ein geklemmtes "Katakis" oder so
Sehr viele Spielefirmen wären gar nicht bekannt geworden ohne die Cracker-Groups. Ganz einfach weil deren Spiele grottenschlecht waren, aber den Crackern das egal war. Die knackten alles, der Inhalt war Wurst.
Auch z.B. Chris Hülsbeck ist mit seiner Spielemusik auf Amiga und C64 bekannt geworden (such mal nach dem Katakis Medley als MP3). Sein Sound war unter anderem in Katakis, Turrican, X-Out und Great Giana Sisters.
Es gibt da ein nettes kleines Buch für die Leute, die sich für die damalige Szene interessieren. Heißt "Hackerland" (ISBN 3-932170-29-6) und wurde von zwei "Szenern" geschrieben.
Es gibt heute noch einige Gruppen von damals, z.B. Shining 8 (www.shining8.de) oder eine der größten Gruppen: Fairlight (www.fairlight.org).
Ok, der Fall Symicron. *räusper* Kommt zu mir meine Kinder, ganz nah ans Feuer. Der Onkel Leo erzählt euch eine (wahre) Geschichte
Den kompletten Fall zu erzählen würde den Rahmen sprengen. Nur kurz umrissen: Die Firma Symicron hat damals die Marke "Explorer" erworben. Da man aber nicht einfach eine Marke so haben darf sondern das nur in Verbindung mit einem "Ding" funktioniert, bezog man sich auf den Symicron-Explorer, einem Tool...naja, ich komm noch drauf
Günni war dann in deren Auftrag im ganzen Netz unterwegs und hat scheinbar wahllos jeden Webmaster abgemahnt der z.B. auf den "FTP-Explorer" verlinkt hat, ein normales FTP Programm. Dabei ist bemerkenswert das nicht Symicron sich den Anwalt genommen hat, sondern Günni auf die Firma zutrat. Nach dem Motto "hier könnt ihr viel Geld machen". Das er eben NICHT wahllos abmahnte merkt man daran das er uerst kleine Webmaster abmahnte die sich kaum wehren konnten und lieber die Kohle abdrückten als nen Gerichtsstreit anzugehen den sie vermutlich verloren hätten (Günni ist ein hervorragender Anwalt, nur arbeitet er eben mit moralisch fragwürdigen Methoden).
Ich weiss nicht genau wieviel Leute es getroffen hat, bis es irgendwann mal Stefan Münz erwischte (der Ersteller von selfHTML). Dieser wehrte sich und klagte im Gegenzug. Das Geld kam von Spendern aus dem Internet. Endlich trat Günni einer entgegen der das Geld hatte und auch eine starke Community im Rücken.
Das Gericht wollte endlich den tollen Symicron-Explorer sehen. Dieser wurde dann angeblich einem kleinen Kreis von Nutzern vorgeführt. es wurde allerdings nie bewiesen das es überhaupt jemals eine lauffähige Version eines Symicron Explorers gab.
Meines Wissens wurde die Marke "Explorer" dann Symicron wieder aberkannt (weiss es aber nicht genau). Auch hier einfach mit google suchen, findet man überall Infos.
Dieses Beispiel machte Schule, und plötzlich wurden Abmahnungen an Webmaster verteilt die das Wort "Webspace" nutzen. Jemand hat sich dieses Wort schützen lassen (jetzt ist die "Marke" wieder gelöscht).
Günni hat noch paar mehr solcher Dinger durchgezogen. Er hat auch ne eigene Seite (www.gravenreuth.de).
Es gab auch von anderen Firmen plötzlich Abmahnwellen. Die British Telekom beispielsweise wollte plötzlich ein Patent auf den Hyperlink im Internet haben...nicht auszudenken was passiert wäre, wenn das das durchgegangen wäde :rolleys:
Aus solchen Fällen ist unter anderem www.abmahnwelle.de entstanden die vor neuen Abmahnungen warnt. Die letzten großen Wellen waren Abmahnungen wegen inkomplettem Impressum auf Webseiten usw.
Schaut euch mal die Seiten www.advograf.de und www.freedomforlinks.de an, da ist alles festgehalten worden im Zusammenhang mit Symicron und anderen Fällen.
Weil ich grad so schön beim Schreiben bin, ein weiterer Fall von "das kann eigentlich nicht wahr sein".
Jeder kennt vermutlich das Spiel Counterstrike. Es gibt da einen Clan "Nationale Allianz". Diese hatte die Domain www.nationale-allianz.de. Und zwar exakt so lange wie die Allianz (Versicherung) an den Webmaster herantrat und die Domain haben wollte.
Als Begründung hieß es, der Domainname verletze das Markenrecht der Allianz Versicherung.
Nebenbei sollte der damals 16jährige Webmaster (Gymnasiast) auch gleich die Bearbeitungskosten von 1600 DM zahlen.
Es war klar, das die Clan-Welt das nich einfach so hinnahm. Es ist nie bekannt geworden welche Anzahl an Emails bei der Allianz eintraf, aber ich denke mal deren Mailserver hatten genug Arbeit. Der Protest ging soweit, dass die Zeitschrift "INTERNETWORLD" einen großen Artikel über diesen Fall brachte.
Als dies dem Allianz-Anwalt mitgeteilt wurde, sagte er nur: "Ja und? Was wollen sie mir damit sagen."
Die Forderung für die Kostennote sank dann auf 840 DM (was immer noch ein Batzen Geld ist), Setie (der Webmaster) versuchte verzweifelt Kohle ranzubringen indem er Aufrufe startete doch bei ihm Spiele zu bestellen (Originale, keine Kopien ).
Was letztendlich beim Streit zwischen der AG und dem Webmaster rauskam ist mir nicht bekannt, sicher ist nur das die Domain an die Allianz überging welche sie eine Weile auf ihre Hauptseite umlenken ließ und dann nicht mehr nutzte. Jetzt ist sie tot (die Domain).
Das sollte für die Webmaster unter euch auch ein Warnsignal sein keine Markennamen zu nutzen für Domains. Also ich möchte kein www.cnc-persil.de oder so sehen, dann könnt ihr auf den Brief vom Anwalt warten
Naja, klar das die Allianz da moserte wegen dem Namen. Allerdings kann man sowas auch normal klären und nicht gleich einen Anwalt einschalten.
1600 DM sind für nen 16jährigen Gymnasiasten ne Menge Kohle, für nen Anwalt sind das Peanuts.
Kommt auf die Verhältnismäßigkeit an. Ich kann mich erinnern, dass der Webmaster sofort bereit gewesen ist die Domain abzutreten. Er konnte nur nich das Geld bezahlen weil er es einfach nicht hatte.
Mein Schwager hat ein Lokal "Ariana", eine Domain "ariana.de" wrd nicht von uns betrieben. Deswegen steigen wir der Webmasterin auch nich aufs Dach. Jetzt ist dort ein Link zur Arianapizza-Seite und alle sind zufrieden
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